Kategorie – Lukas

  • Mein Ritual: das Rezitieren des Hare-Krishna-Mantras / 17.08.2020

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  • Rituale - sie verdichten die Gegenwart und drücken aus, was uns wichtig ist. In einer Blog-Reihe gehen wir unterschiedlichen Ritualen nach. Lukas gewährt Einblick in "Murmeln" des Hare-Krishna-Mantras..

    Als Geweihter Krsnas in der Linie von Srila Prabhupada‘s ISKCON (Internationale Gesellschaft für Krsna-Bewusstsein) gehört das Chanten oder Rezitieren, wörtlich „Murmeln“ (Japa auf Sanskrit) des Hare-Krishna-Mantras zu einem der wichtigsten täglichen Rituale. Nicht umsonst ist die ISKCON als Hare-Krishna-Bewegung bekannt; wenn wir nicht zusamme den Mantra singen, können einzelne Geweihte oft dabei beobachtet werden, wie sie den Mantra alleine für sich rezitieren. Dieses sogenannte Chanten ist eine uralte Praxis und wird in vedischen Schriften als der Vorgang schlechthin bezeichnet, um in diesem Zeitalter Selbst- und Gotteserkenntnis zu erlangen. Dies deshalb, weil die Klangschwingung der Worte „Hare Krishna, Hare Krishna, Krishna Krishna, Hare Hare, Hare Rama Hare Rama, Rama Rama, Hare Hare“ als nicht verschieden von Gott selbst betrachtet wird. 

    Die drei Worte sind alle Namen Gottes und stehen im Vokativ, sind also in der Anredeform formuliert. „Hare“ richtet sich an den weiblichen Teil Gottes (Radharani), „Krishna“ bedeutet „der Allanziehende“ und „Rama“ heisst „die Quelle allen Glücks“. Das Prinzip, dass Gott nicht verschieden von seinem Namen ist, verstehen die Krishna-Geweihten als universell, weshalb sie Anhängern anderer Religionen empfehlen, auch andere Namen Gottes wie Allah, Jehova oder Jesus anzurufen, um die Verbindung mit ihm aufzunehmen. Der Fokus beim Rezitieren des Mantras richtet sich auf die Haltung, in der man chantet: als Geweihter frage ich Gott nicht danach, mir etwas zu geben, sondern vielmehr, wie ich ihm dienen kann und bitte ihn, mich in seinem Dienst zu beschäftigen. 

    Das Ziel dabei ist, die schlummernde Liebe, die die Seele gemäss dem Verständnis der Krishna-Geweihten natürlicherweise für Gott verspürt, wiederzuerwecken und so wahrhaft glücklich zu werden. Denn das ist mein Verständnis echter Liebe: eigene Bedürfnisse zurückstellen zu können, um den oder die Geliebte glücklich zu machen; auf selbstische Verlangen zu verzichten und anderen zu dienen. Zugegeben, kein einfaches Unterfangen. Aber Mantrameditation bietet meines Erachtens den idealen Lernraum, um dieses Bewusstsein zu kultivieren; Mantra für Mantra, step by step.

  • Bhakti Yoga im Interreligiösen Dialog / 18.11.2019

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  • Sicht eines Hare Krishna

    Mein letzter Blog setzte sich tiefer mit dem Begriff „bhakti-yoga“ auseinander. Die dort verwendete Definition lautete: liebevolle Hingabe und Dienst für Gott. So würde ich, als Bhakti Yogi, dementsprechend auch meine Religion durch diesen Prozess charakterisieren. Oftmals, wenn ich mit Gläubigen anderer, insbesondere monotheistischen Religionen spreche, haben sie ein ganz ähnliches Verständnis davon, wie ihre Tradition in aller Kürze definiert werden könnte. Dieser Blog soll deswegen vom universalen Potential dieses Religionsverständnis handeln.

    Worte des Gründers der Hare Krishna Bewegung

    Shrila Prabhupada, der Gründer der ISKCON, wurde einmal gefragt, ob Gott nur auf eine einzige, bestimmte Art und Weise verehrt werden sollte. Er antwortete: eigentlich gibt es nur eine Art und Weise und das ist bhakti. So wie wir verschiedene Öffnungen im Körper haben, aber nur eine (den Mund) zum Essen nutzen, so gibt es nur einen Prozess, um Gott, der einer ist, zu verstehen. Prabhupada hat oft darauf verwiesen, dass es ganz natürlich ist, zu dienen. Jeder und jede dient irgendjemandem: seinem Chef, seiner Ehefrau, ihren Kindern und sogar den Haustieren-die Liste liesse sich endlos fortsetzen. Er sprach deshalb davon, dass man diese inhärente Fähigkeit des Dienstes nur umzulenken brauche und sie auf Gott richten sollte. Dies im Wissen darüber, dass, wenn man Gott dienen will, automatisch auch der Wunsch entsteht, all seinen Teilen und seiner Schöpfung zu dienen.

    Liebevolle Hingabe und Dienst zu Gott in anderen Religionen

    Im ISKCON Tempel in Zürich, in dem ich lebe, wird immer darauf hingewiesen, wie wichtig und zentral dieses hingebungsvolle Dienen ist. Umso spannender finde ich es, dass auch andere religiöse Traditionen sich intensiv damit auseinandersetzen oder sich sogar darüber definieren. So kann als Beispiel der Islam angeführt werden: dort steckt die Hingabe bereits im Wort selbst. Auch im Christentum ist Dienst ein wichtiger Punkt und steckt nach meinem Verständnis bereits in den ersten zwei Geboten: Liebe Gott von ganzem Herzen und deinen Nächsten wie dich selbst. Gemäss der Definition von Liebe aus dem letzten Blog, die ich dort mit selbstlosem Dienst identifziert habe, lässt sich also hier ebenfalls die zentrale Stellung des Dienstes erkennen. Und desweiteren spricht man nicht umsonst sowohl unter Christen als auch unter Juden vom ‚Gottesdienst‘ als der Messe oder der Zusammenkunft von Gläubigen. An dieser Stelle ist natürlich anzufügen, dass es auch innerhalb einer Religion verschiedene Interpretationen gibt und wahrscheinlich einige Anhänger dieser Traditionen nicht mit mir übereinstimmen würden. 

    Zum Schluss ein Gebet

    Im Shrimad Bhagavatam, einem theistischen Textkorpus aus Indien, gibt es ein wunderschönes Gebet, welches ich jeden Abend vor dem Schlafengehen rezitiere. Ich denke es spiegelt den Grundgedanken dieses Blogs schön wieder. Der kleine Königssohn Prahlad betet, dass das ganze Universum von Glück durchdrungen und dass alle missgünstigen Personen beschwichtigt sein mögen. Dass alle Lebewesen durch das Praktizieren von Bhakti Yoga (hingebungsvollem Dienst) an ihr gegenseitiges Wohlergehen denken und so zufrieden sein mögen. In diesem Sinne lädt er ein, sich im Dienste Adhokshajas (Demjenigen, der nicht von den Sinne wahregenommen werden kann; Gott) zu engagieren und so in Gedanken über ihn versunken zu sein.

  • Was haben die Hare Krishnas mit Yoga zu tun? / 03.08.2019

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  • Gedanken eines Bhakti-Yogi

    Die Wenigsten würden wahrscheinlich denken, dass die Hare Krishnas Yoga machen. Man weiss von ihnen, dass sie singen und tanzen, fein kochen, vielleicht auch, dass sie meditieren - aber Yoga? Nun habe ich in vorangegangenen Blogs versucht, die Hintergründe des Yoga darzustellen und so das stereotype Bild von Yoga als eine Art „spiritueller Sport“ mit philosophischen Punkten zu sprengen und zu erweitern. Anhand dieser Erläuterungen könnte man erahnen, dass zum Beispiel auch die Hare Krishnas etwas mit Yoga am Hut haben. In diesem Blog will ich darüber schreiben, was das ist und meine persönliche Beziehung dazu beschreiben.

    Die Yogaleiter

    In der Bhagavad Gita, einem der zentralsten Yogatexte Indiens, werden verschiedene Arten von Yoga beschrieben. Krishna, der Sprecher der Bhagavad Gita, der sich als Gott selbst zu erkennen gibt, stellt eine Art Leiter mit drei Sprossen auf: die erste Sprosse nennt er „Karma-Yoga“ (Yoga durch Handeln) die zweite „Jnana-Yoga“ (sprich: Giana-Yoga; Yoga durch Wissen) und die dritte schliesslich „Bhakti-Yoga“. Im 6. Kapitel erklärt er am Schluss, dass diejenigen am engsten mit ihm verbunden seien, die ihn als Bhakti-Yogis verehrten. Was also ist dieser Bhakti-Yoga?

    Bhakti-Yoga

    Bhakti, abgeleitet von Sanksrit „bhaj“, was „verehren, Hingabe, in Liebe dienen“ bedeuten kann, beeinhaltet drei Teile: den „bhakta“, die „bhakti“ und „bhagavān“. Es brauch also einerseits den Gottgeweihten (Gläubigen), die liebevolle Hingabe und schliesslich Gott. Der ganze Prozess nennt sich dann schliesslich Bhakti-Yoga; Verbindung mit Gott durch bhakti, liebevolle Hingabe. Und was ist nun liebevolle Hingabe? Genau das zu erfahren und praktisch in Anwendung zu bringen, ist die Aufgabe eines Hare Krishna. 

    Liebevolle Hingabe zu Gott

    Alle, die schon Mal über Liebe geredet oder geschrieben haben, wissen, dass es nicht gerade einfach ist. Mich fasziniert die Definition, die die vedischen (altindischen) Texte von Liebe geben. In eigenen Worten formuliert, äussert sich Liebe demnach darin, dem oder der Geliebten ohne eigennützige Motive zu dienen. Man könnte auch sagen, dass man sein eigenes Glück aus dem Glück der anderen Person schöpft. Diese Art von Liebe auf Gott zu richten, ist das Ziel der Gottgeweihten. Nur, wie soll man Liebe für Gott entwickeln? Um jemanden zu lieben, muss man diese Person doch erst einmal kennen - ansonsten weiss man ja nicht, was sie mag und nicht mag und kann sie dementsprechend nicht glücklich machen. Als Hare Krishna ist deshalb mein Ziel, mehr und mehr über Gott zu erfahren, ihn kennenzulernen und ihn mehr und mehr hinter allem zu sehen. Das ist für mich wie ein grosses Abenteuer: jedes Mal, wenn ich mich zum Meditieren hinsetze, eines der Bücher über Krishna aufschlage, von seinen grossen Geweihten höre, praktischen Dienst ausführe, wie den Tempel zu putzen oder zu kochen, versuche ich dieser Tätigkeit meine ganze Aufmerksamkeit zu schenken - denn „Trying is the perfection“: es ist die Bemühung des Geweihten, in Liebe zu dienen, welche Gott zufriedenstellt. Und dann passieren sie, diese zeitlosen Momente, welche mir versichern: Gott ist nicht nur real, sondern auch in ständigem Austausch mit uns. Diese Interaktion, diese Verbindung nenne ich Bhakti Yoga, Verbindung mit Gott durch liebevolle Hingabe.
  • Yoga und Religion: Enger verwandt als gedacht? / 19.05.2019

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  • Wortherkunft und Verwendung von Yoga

    Im letzten Blog habe ich über die praktischen Aspekte des Yoga gesprochen und mich dabei vor allem auf die geläufigste Form des Yoga bezogen: den „Hatha Yoga“, das heisst die körperlichen Übungen („Asanas“). Gleichzeitig habe ich auch erwähnt, dass in einem weiteren Rahmen auch viele philosophische Elemente eine Rolle spielen. In diesem Blog möchte ich auf eines dieser Elemente eingehehen und die sprachphilosophische Bedeutung von Yoga genauer anschauen. Dafür orientiere ich mich an der „Bhagavad Gita“, die neben den „Yoga sutras“ als zentraler Text für die Yoga-Philosophie gilt. 

    Die Vielfalt des Yogas

    Heute finden sich in den Yogastudios der Welt unzählige verschiedene Arten, Ausprägungen und Subkategorien des Yoga. Um nur einige der bekanntesten zu nennen: „Hatha Yoga“, „Ashtanga Yoga“, „Vinyasa Yoga“, „Kundalini Yoga“ oder auch „tibetisches Yoga“. Worauf gründen diese unterschiedlichen Stile, wo sind die Zusammenhänge? Oder zuerst: Was bedeutet Yoga überhaupt? 

    Yoga = Verbindung - aber von was?

    Der Begriff stammt aus dem Sanksrit, der alt-indischen Sprache und kommt von der Wurzel „yuj“, was so viel bedeutet wie „vereinen, zusammenschliessen, verbinden“.  Von diesem Ursprung stammt gemäss der Sprachwissenschaft auch das englische Wort „to yoke“ mit derselben Bedeutung. Yoga lässt sich also mit „verbinden“ übersetzen; aber was wird verbunden? Diese zentrale Frage hat die philosopischen Diskurse in Indien seit jeher geprägt. Die Debatten haben eine Vielzahl verschiedener Deutungsansätze und Interpretationen hervorgebracht, von denen in schriftlicher Form insbesondere die „Bhagavad Gita“ als Grundlage zur Argumentation herangezogen wird. 

    Yoga als Verbindung mit Gott

    In der „Bhagavad Gita“ ist eine zentrale Bedeutungszuschreibung diejnige, dass im Tätigkeitswort „yoga“ im philosophischen oder religiösen Kontext das „sich verbinden mit dem Höchsten“ steckt. Einmal mehr stellt sich dann die Frage, was mit dem „Höchsten“ gemeint ist. Krishna, dem die grösste Sprechrolle im Buch zukommt, identifziert sich an mehreren Stellen als persönlicher, individueller und auch höchster Gott, indem er beispielsweise Possessivpronomen wie „mein“ verwendet oder sich als die letztlich höchste Wahrheit bezeichnet. Damit haben wir also eine Definition von Yoga, die einer bei uns verbreiteten Vorstellung von Religion auf interessante Weise ähnelt. Einerseits aufgrund ihrer Bedeutungen und Konzepte (Religion als Glaube an eine transzendente Wirklichkeit), andererseits aber auch in ihrer Etymologie. Neben „relegere“ wird das Wort „Religion“ nämlich auch auf „religare“ zurückgeführt, was mit „rückbinden“ übersetzt wird2. Yoga und Religion sind per se also nicht, wie heute von einigen Kreisen (bspw. von Leuten, die sagen, sie seien spirituell, aber nicht religiös) suggeriert, grosse Gegensätze oder miteinander inkompatibel, sondern weisen in ihrer Herkunft grosse Ähnlichkeiten auf.  
     

  • Yoga: eine Frauendomäne? / 05.03.2019

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  • Yoga ist nicht männlich…

    Als Mann Yoga als Hobby anzugeben, kann einem schon Mal den einen oder anderen schrägen Blick einbringen, besonders von männlichen Kollegen. Typische Vorurteile sind beispielsweise, dass Männer für Yoga nicht beweglich genug seien, dass die Übungen nicht männlich oder zu wenig anstrengend und deswegen nicht männlich seien oder gar, dass Männer nur zum Yoga gehen, um schöne Frauen anzuschauen (no joke, hat man mir wirklich schon unterstellt). Ist Yoga also den Frauen vorbehalten? Eine Statistik aus Amerika von 2016 scheint genau dies zu bestätigen. Sie besagt, dass rund 72% der Yoga Praktizierenden in den USA weiblichen Geschlechts sind.

    ...oder doch?

    Historisch betrachtet stellt dieses Resultat aber eine Ausnahmeerscheinung dar. In Indien, von wo sich Yoga über den ganzen Globus verbreitet hat, war und ist es in gewissen Kreisen auch heute noch sehr unüblich, weibliche Yogis anzutreffen. In der ganzen ursprünglichen vedischen Literatur wird Yoga als Männerdisziplin beschrieben, die oft sogar nur einer gewissen Gruppe von Männern, den Brahmanen und Ksatriyas, also den Führungspersönlichkeiten der Gesellschaft, zugänglich war. Im Mahabharata, dem grössten epischen Werk der Weltgeschichte, finden sich viele Szenen, in denen erläutert wird, wie sich die Krieger vor grossen Schlachten durch das Praktizieren von Yoga stärkten. Keine Spur also von fehlender Männlichkeit. Weshalb herrschen in unserer Gesellschaft dann diese sterotypen Vorurteile?

    Yoga als praktische Philosophie

    Ich glaube, dass sich aus dem Beispiel der Krieger aus vergangenen Zeiten sehr gut erklären lässt, wo das grundlegende Missverständnis herkommt: Im Gegensatz zur ursprünglichen Tradition wird Yoga heute oft (wenn vielleicht auch unbewusst) als rein physische Praxis verstanden. Doch eigentlich ist Yoga ein System, das, nur schon bevor man zur eigentlichen körperlichen Tätigkeit kommt, in seiner ursprünglichen Form nicht von moralischen, ethischen und metaphysischen Komponenten zu trennen ist. Deswegen war es im alten Indien ein geradezu normaler Bestandteil des Lebens, eben absichtlich nicht „nur“ körperliche Ausdauer, Kraft und Beweglichkeit, sondern auch Verstand und Bewusstsein, ja die ganze Lebensführung entlang gewisser Werte zu schulen. 

    Männer, auf die Matte, fertig, los!

    Der philosophische Hintergrund des Yoga ist es, dass sowohl hinter einer Frau als auch einem Mann letztlich ein Selbst steht, welches in seiner metaphysischen Qualität genau gleich geartet ist. 
    Es gibt auf historischer wie auch auf praktischer Basis keine Gründe gibt, aufgrund der Designation „Mann“ kein Yoga zu machen. Im Gegenteil: Gerade uns Männern, die wir doch oft ein wenig zu verkopft sind, was beispielsweise die Vorurteile Yoga gegenüber auf interessante Art und Weise demonstrieren, kann Yoga helfen, Körper und Geist zu trainieren und ein klares Bewusstsein zu erreichen. 

  • Wie ich zu den Hare Krishnas kam / 22.01.2019

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  • Aufkeimender, ungestillter Wissensdrang

    Wie wird man ein Hare Krishna? Mit dieser mir oft gestellten Frage setze ich mich in diesem Blog auseinander und erzähle die zusammengefasste Geschichte, wie ich zum Krishna-Bewusstsein gekommen bin.

    Aufgewachsen bin ich in einem protestantischen Elternhaus, das jedoch keinen grossen Wert auf Religiosität gelegt hat. In meiner Kindheit und Jugend habe ich mich wenig mit Glauben und Gott auseinandergesetzt. In der Primarschule liebte ich den Religionsunterricht nur deswegen, weil wir ab und zu, insbesondere vor den Ferien, Fussball spielen gingen. Ansonsten schienen mir in der Schule zu viele Fragen unbeantwortet, zu viele Unstimmigkeiten und Unvereinbarkeiten zwischen ...

    Geographische und literarische Abenteuer
    Nach dem Militärdienst wollte ich unbedingt ins Ausland und so verschlug es mich für zwei Monate nach Mexiko. Voller neuer Eindrücke und Inspirationen kam ich zurück und las kurz darauf ein Buch, «Die Kraft der Gegenwart» von Eckhart Tolle. Das Buch hatte ich von Emilio, einem Einheimischen, bei dem ich meinen Aufenthalt in Mexico City verbringen durfte, empfohlen bekommen. Zuerst wusste ich nicht recht, was ich davon halten sollte. Doch je länger ich las, desto begeisterter wurde ich. Ich wollte mehr über diese Themen erfahren und beschäftigte mich daraufhin vor allem mit östlichen Ideologien und Philosophien, las Texte von Osho, Krishnamurti und buddhistischen Lehrern. 
    Mein bester Freund wollte eines Tages plötzlich Yoga mit mir machen- auch das war wieder ein Sprung ins kalte Wasser für mich und fühlte sich erstmal seltsam an. Nicht lange jedoch und ich konnte gar nicht mehr ohne. Und auch das literarische Abenteuer ging weiter: Interessiert daran, Hintergründe über Yoga und dessen Philosophie herauszufinden, stiess ich auf ein Buch von Armin Risi, der selbst lange Jahre als Mönch im Krishna Tempel gelebt hatte. „Der radikale Mittelweg“, so der Titel des Buches, erschloss mir ganz neue Welten und bot mir einen Einblick in die indischen Veden und den Theismus.

    Die Bhagavad Gita: der Gesang Gottes in der Stille...
    Nun ging es ans Eingemachte: Wieder zusammen mit meinem besten Freund nahm ich an einem Vipassana Retreat in Deutschland teil. Zehn Tage schweigen, sechs Stunden Meditation und zwei Stunden Yoga am Tag. Einen Grossteil der verbleibenden Zeit nutzte ich (ja für was wohl?) zum Lesen. Diesmal hatte wiederum ein ganz spezielles Buch den Weg in meine Hände gefunden: die Bhagavad Gita, übersetzt und kommentiert von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada- dem Gründer der ISKCON, der Gaudiya-Vaiṣnava-Bewegung im Westen. Wörtlich übersetzt bedeutet der Titel „Der Gesang Gottes“. Das Buch wird auch als „die Bibel der Hindus“ bezeichnet und beschreibt die Unterweisungen Krishna (Gott) an seinen Geweihten Arjuna. Ich wurde in den Bann gezogen von der zeitlosen Wahrheit und den klaren, teils eindringlich-vereinnahmenden, teils sehr liebevollen Erläuterungen. Gleichzeitig fühlte ein Teil von mir sich aber auch irgendwie angegriffen, herausgefordert, was die Lektüre für mich auf spezielle Weise lebendig und intensiv machte.

    ...und im Alltag
    Nach dem Retreat besuchte ich dann zum ersten Mal den Tempel der Hare Krishnas in Zürich und wusste gleich, dass ich früher oder später eine Zeit hier verbringen wollte. Von einem Mönch bekam ich eine eigene Ausgabe der Bhagavad Gita, deren 700 Seiten ich in einem knappen Monat vor, während und nach der Arbeit geradezu verschlang und studierte. Dann übernachtete ich für ein Wochenende im Tempel und meldete mich daraufhin gleich zu einem dreimonatigen Kurs an, der ein halbes Jahr später begann. Es war diese Zeit, die mich inspirierte, dem Prozess weiter zu folgen und so praktiziere ich heute, ein Jahr später, immer noch täglich Bhakti Yoga, den Pfad der liebevollen Hingabe zu Krishna (Gott). 

    Reflexion
    Im Nachhinein kam ich also über einige Umwege zum Krishna Bewusstsein. Neben den vielen Personen, die mir immer wieder neue Türen und Wege öffneten, fühlte ich mich persönlich auch massgeblich durch die jeweiligen Bücher beeinflusst, die mich stets weitersuchen und finden liessen. Schlussendlich war es dann auch die gleichzeitige Einfachheit und Tiefe, die Universalität und Kohärenz der Bhagavad Gita, die ausschlaggebend dafür war, dass ich ein Hare Krishna wurde. Sie gab mir die nötige Vertrauensbasis und versäumt es bis heute nicht, eine Quelle der Inspiration zu sein.

     

  • Die mit den Bettlaken und Senf auf der Nase / 19.12.2018

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  • Mein Name ist Lukas und ich bin Guide für die Station des ISKCON Tempels in Zürich. In den ersten Blogs werde ich darüber reflektieren, wie ich den Alltag als Anhänger einer Minderheitsreligion erlebe und wie ich überhaupt zu dieser Religion gekommen bin. 

    Alltägliche Begegnungen eines Hare Krishna

    „ISKCON? Noch nie gehört“. Diese Antwort kriege ich oft, wenn ich den Begriff verwende. „Schon mal von den Hare Krishnas gehört?“ Diese spezielle Gattung Mensch (oder sind sie doch Ausserirdische?) haben allerdings doch einige schon irgendwo irgendwann ein Mal gesehen. „Die mit den Bettlaken, Senf auf der Nase und den feinen Chüechli?“ Meiner Reaktion entnehmen sie Bestätigung. Bevor ich jedoch zu einer Antwort ansetzen kann, können sie sich nicht zurückhalten. Neugierig, oft aber auch verständnislos und ein bisschen höhnisch werde ich gefragt: „Was machst denn du bei diesen Vögeln?“ Meist amüsiere ich mich ab solchen Fragen. Einerseits, weil ich mich auch schon selbst bei sehr ähnlichen Gedankengängen über andere ertappt habe, andererseits, weil es mich fasziniert, wie unterschiedlich wir Menschen doch sein können und wie wenig wir manchmal voneinander wissen. Multikulti, Diversität und Toleranz sind längst keine Fremdwörter mehr. Verschiedenste Kulturen und Religionsgemeinschaften teilen sich dieselbe Nachbarschaft, vielleicht dasselbe Haus. Irgendwo im Innern aber, und gar nicht so selten ziemlich weit vorne auf der Zunge, finden sich trotzdem Vorurteile und Kleinkariertheit. Gerade als Vertreter einer kleinen Gemeinschaft begegne ich dem Phänomen der (selten beabsichtigten) impulsiven Voreingenommenheit. Wie also darauf reagieren?

    Mein Umgang mit Vorurteilen

    Im Wissen darüber, dass ich selbst äusserst unperfekt bin, besteht eines meiner Lieblingsmittel in der Selbstironie. Denn ich muss zugeben: auch die „Devotees“, wie wir uns Hare Krishnas intern selbst betiteln, haben einige lustige Eigenheiten. Die spezielle Aufmache beispielsweise, die exotische Kleidung und die komische Frisur, die viele tragen. Oder Tätigkeiten wie das muntere Singen und Tanzen auf der Strasse; ich kann schon (ein klein wenig) verstehen, dass dies keinen Anlass zu Jubelausbrüchen bei den beiwohnenden Passanten gibt. Vorallem, wenn der Sänger jetzt nicht unbedingt einer vom Kaliber Michael Jacksons ist. 

    Einige werden jetzt denken: der kann das Ganze ja selbst nicht ernst nehmen, dieser Lukas. Und es stimmt, ich bin der Meinung, dass man viel friedlicher lebt, wenn man sich selbst und „die Seinen“ nicht zu wichtig nimmt. Aber gleichzeitig wird diese Haltung erst möglich, wenn man die Selbstsicherheit anderswo bezieht. Und ich bin überzeugt: nicht in den äusserlichen, vielleicht befremdenden Merkmalen lässt sie sich finden, sondern in den tieferen Aspekten jeder Kultur und (religiösen) Tradition. 

    So one question remains: was mache ich denn nun bei diesen Vögeln? Mehr dazu in einem nächsten Blog.