19.05.2019

Yoga und Religion: Enger verwandt als gedacht?

Wortherkunft und Verwendung von Yoga

Im letzten Blog habe ich über die praktischen Aspekte des Yoga gesprochen und mich dabei vor allem auf die geläufigste Form des Yoga bezogen: den „Hatha Yoga“, das heisst die körperlichen Übungen („Asanas“). Gleichzeitig habe ich auch erwähnt, dass in einem weiteren Rahmen auch viele philosophische Elemente eine Rolle spielen. In diesem Blog möchte ich auf eines dieser Elemente eingehehen und die sprachphilosophische Bedeutung von Yoga genauer anschauen. Dafür orientiere ich mich an der „Bhagavad Gita“, die neben den „Yoga sutras“ als zentraler Text für die Yoga-Philosophie gilt. 

Die Vielfalt des Yogas

Heute finden sich in den Yogastudios der Welt unzählige verschiedene Arten, Ausprägungen und Subkategorien des Yoga. Um nur einige der bekanntesten zu nennen: „Hatha Yoga“, „Ashtanga Yoga“, „Vinyasa Yoga“, „Kundalini Yoga“ oder auch „tibetisches Yoga“. Worauf gründen diese unterschiedlichen Stile, wo sind die Zusammenhänge? Oder zuerst: Was bedeutet Yoga überhaupt? 

Yoga = Verbindung - aber von was?

Der Begriff stammt aus dem Sanksrit, der alt-indischen Sprache und kommt von der Wurzel „yuj“, was so viel bedeutet wie „vereinen, zusammenschliessen, verbinden“.  Von diesem Ursprung stammt gemäss der Sprachwissenschaft auch das englische Wort „to yoke“ mit derselben Bedeutung. Yoga lässt sich also mit „verbinden“ übersetzen; aber was wird verbunden? Diese zentrale Frage hat die philosopischen Diskurse in Indien seit jeher geprägt. Die Debatten haben eine Vielzahl verschiedener Deutungsansätze und Interpretationen hervorgebracht, von denen in schriftlicher Form insbesondere die „Bhagavad Gita“ als Grundlage zur Argumentation herangezogen wird. 

Yoga als Verbindung mit Gott

In der „Bhagavad Gita“ ist eine zentrale Bedeutungszuschreibung diejnige, dass im Tätigkeitswort „yoga“ im philosophischen oder religiösen Kontext das „sich verbinden mit dem Höchsten“ steckt. Einmal mehr stellt sich dann die Frage, was mit dem „Höchsten“ gemeint ist. Krishna, dem die grösste Sprechrolle im Buch zukommt, identifziert sich an mehreren Stellen als persönlicher, individueller und auch höchster Gott, indem er beispielsweise Possessivpronomen wie „mein“ verwendet oder sich als die letztlich höchste Wahrheit bezeichnet. Damit haben wir also eine Definition von Yoga, die einer bei uns verbreiteten Vorstellung von Religion auf interessante Weise ähnelt. Einerseits aufgrund ihrer Bedeutungen und Konzepte (Religion als Glaube an eine transzendente Wirklichkeit), andererseits aber auch in ihrer Etymologie. Neben „relegere“ wird das Wort „Religion“ nämlich auch auf „religare“ zurückgeführt, was mit „rückbinden“ übersetzt wird2. Yoga und Religion sind per se also nicht, wie heute von einigen Kreisen (bspw. von Leuten, die sagen, sie seien spirituell, aber nicht religiös) suggeriert, grosse Gegensätze oder miteinander inkompatibel, sondern weisen in ihrer Herkunft grosse Ähnlichkeiten auf.  
 

Lukas Stöckli, Guide en Route