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17.12.2021

Die Stimmen für Gleichberechtigung können nicht mehr überhört werden

Ein Beitrag von Jacqueline Straub.

 

Papst Johannes XXIII. war es, der als erster Papst einiges für die Gleichstellung der Frau* in der katholischen Kirche getan hat. 1963 wurde die Enzyklika Pacem in terris veröffentlicht, in der nicht mehr von der Unterordnung der Frau* unter den Mann*, sondern von der Würde der menschlichen Person die Rede ist. Mit der Enzyklika Pacem in terris (1963) bekannte sich die katholische Kirche erstmals in ihrer Geschichte auf höchster Ebene ausdrücklich zu den Menschenrechten. Diese grundsätzliche Anerkennung der Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit von Mann* und Frau* fand auch im Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 – 1965) Eingang. So wurde fortan von der «grundlegende Gleichheit aller Menschen» («Gaudium et spes» Nr. 29) gesprochen. Gleichzeitig wurde dort festgehalten: «Jede Form einer Diskriminierung in den gesellschaftlichen und kulturellen Grundrechten der Person, sei es wegen des Geschlechts oder der Rasse, der Farbe, der gesellschaftlichen Stellung, der Sprache oder der Religion, muss überwunden und beseitigt werden, da sie dem Plan Gottes widerspricht.»

 

Nach der anthropologischen Überzeugung und der Lehre der Kirche haben Mann* und Frau* die gleiche Würde und somit das Recht auf Gleichberechtigung. Doch: Noch heute steht im Kirchenrecht der katholischen Kirche in Canon 1024: «Die heilige Weihe empfängt gültig nur ein getaufter Mann.» Da das Geschlecht des Mannes als Voraussetzung zur Weihe zählt, handelt es sich hier um eine strukturelle Benachteiligung der Frau*. Es liegt ein Verstoss gegen die fundamentale Gleichheit vor, da eine priesterliche Berufung von einer Frau* erst gar nicht geprüft wird.

 

Der Ausschluss der Frauen von allen Weiheämtern in der katholischen Kirche ist nicht nur eine klare Diskriminierung des Geschlechts, es entspricht auch nicht dem, was Jesus Christus predigte und wie er handelte. Jesus Christus erwählte eine Frau zur ersten Zeugin der Auferstehung. Indem Jesus zuerst Maria Magdalena erscheint, ist das der größte Akt der Berufung. Dies ist von höchster Bedeutung für die Stellung der Frau* im Christentum. In der patriarchal strukturierten Gesellschaftsordnung zu Zeiten Jesu war diese Beauftragung der Maria Magdalena sehr ungewöhnlich, denn Frauen hatten nichts zu sagen, sie konnten öffentlich kein Zeugnis ablegen, da sie als unglaubwürdig galten. Wenn Jesus Maria Magdalena den Auftrag erteilt, den anderen von ihm zu erzählen, dann wertet Jesus Christus die Frau* in ihrer Würde nicht nur auf, sondern lässt etwas ganz Neues beginnen. 

 

In der Jesusbewegung war die Gleichstellung und das Einbeziehen aller etwas ganz Normales. Jesus gab sich mit Frauen ab, mit denen er weder verheiratet noch verwandt war. Er relativierte somit die patriarchalischen Traditionen. Jeder wurde als Mensch, als Person angesehen.
Auch in den paulinischen Gemeinden hatten Frauen wichtige Funktionen und Ämter. Frauen hatten in den ersten Generationen des Christentums die Vollmacht, diakonische, priesterliche, bischöfliche und prophetische Dienste auszuführen. Nach und nach aber wurden die Frauen – weil es einfach nicht ins patriarchalische Weltbild passte – in eine Rolle gedrängt, die ihnen die Männer vorgaben.

 

Seit fast zehn Jahren erhebe ich öffentlich meine Stimme und sage, dass es eine Ungerechtigkeit ist, dass Frauen (bzw. Nicht-Cis-Männer) keine Priester*innen werden dürfen. Weil ich mich für Reformen einsetze, musste ich mir schon einiges anhören: «Du kommst in die Hölle», «Zerstörerin der Kirche», «Ich bete einen Exorzismus für dich». Solche Aussagen kommen von Katholik:innen, die keinerlei Veränderung in und an der katholischen Kirche zulassen möchten. Viele dieser rechtskatholischen Kreise haben noch immer viel Macht innerhalb des Vatikans. Sie wollen keine Veränderung, weil sie Angst haben vor Neuem. Zudem bedeutet Gleichberechtigung immer auch Teilen von Macht. Und: Reformen setzen auch Reflexion voraus und manchmal auch das Revidieren des eigenen Kirchen- und Menschenbildes. Für viele Rechtskatholik:innen ist das Verweilen im «Es-war-schon-immer-so» einfacher, als auf den Heiligen Geist zu vertrauen und voranzuschreiten.

 

Es braucht daher einen langen Atem und internationale Vernetzung der Reformer:innen. Denn einige Bischöfe sagen gerne, dass die Forderung nach Gleichberechtigung innerhalb der Kirche ein rein «deutschsprachiges oder westliches Problem» sei. Das stimmt allerdings nicht. Denn auf allen Kontinenten gibt es Frauen*, die sich zum priesterlichen Dienst berufen fühlen und die den Ausschluss von den Weiheämtern als diskriminierend empfinden.

 

Schon seit Jahrzehnten bemühen sich Katholik:innen Reformthemen voranzutreiben, die theologischen Gründe für das Frauenpriester:innentum liegen längst auf den Tischen. Doch da der Vatikan noch immer die Macht und die Deutungshoheit hat, braucht es nun vermehrt einen lauten Aufstand von der Basis, die gleichzeitig aber auch den Bischöfen Mut schenkt, damit sie sich für mehr Menschenrechte und Gleichberechtigung innerhalb der Kirche einsetzen. Gesprächsbereitschaft von der Basis und selbst theologische Argumente konnten die Amtsleitung der katholischen Kirche bislang nicht dazu bewegen, diskriminierende Strukturen innerhalb der Kirche zu überwinden. Daher braucht es vermehrt Menschen, die aufstehen und ihre Stimme erheben. Denn viele laute Stimmen können nicht mehr überhört werden.

 

Die Kirche verliert stark an ihrer Glaubwürdigkeit, wenn sie nach aussen für die Rechte der Frau* und die Verwirklichung der Menschenrechte eintritt und sie fordert, jedoch in ihren eigenen Reihen noch weit von der rechtlichen Gleichstellung entfernt ist. Die Kirche kann zum Vorbild für Staat und Gesellschaft werden – wenn sie nur will.

 

Ich bin guten Mutes, dass sie es schaffen wird. Weil viele Katholk:innen beherzt für Reformen kämpfen und sich in ihrem kirchlichen Umfeld schon heute dafür stark machen, dass diskriminierende Strukturen beseitigt werden.

 

Fotocredits: Melanie Wetzel (www.meli-photodesign.de)