19.12.2018

Die mit den Bettlaken und Senf auf der Nase

Alltägliche Begegnungen eines Hare Krishna

„ISKCON? Noch nie gehört“. Diese Antwort kriege ich oft, wenn ich den Begriff verwende. „Schon mal von den Hare Krishnas gehört?“ Diese spezielle Gattung Mensch (oder sind sie doch Ausserirdische?) haben allerdings doch einige schon irgendwo irgendwann ein Mal gesehen. „Die mit den Bettlaken, Senf auf der Nase und den feinen Chüechli?“ Meiner Reaktion entnehmen sie Bestätigung. Bevor ich jedoch zu einer Antwort ansetzen kann, können sie sich nicht zurückhalten. Neugierig, oft aber auch verständnislos und ein bisschen höhnisch werde ich gefragt: „Was machst denn du bei diesen Vögeln?“ Meist amüsiere ich mich ab solchen Fragen. Einerseits, weil ich mich auch schon selbst bei sehr ähnlichen Gedankengängen über andere ertappt habe, andererseits, weil es mich fasziniert, wie unterschiedlich wir Menschen doch sein können und wie wenig wir manchmal voneinander wissen. Multikulti, Diversität und Toleranz sind längst keine Fremdwörter mehr. Verschiedenste Kulturen und Religionsgemeinschaften teilen sich dieselbe Nachbarschaft, vielleicht dasselbe Haus. Irgendwo im Innern aber, und gar nicht so selten ziemlich weit vorne auf der Zunge, finden sich trotzdem Vorurteile und Kleinkariertheit. Gerade als Vertreter einer kleinen Gemeinschaft begegne ich dem Phänomen der (selten beabsichtigten) impulsiven Voreingenommenheit. Wie also darauf reagieren?

Mein Umgang mit Vorurteilen

Im Wissen darüber, dass ich selbst äusserst unperfekt bin, besteht eines meiner Lieblingsmittel in der Selbstironie. Denn ich muss zugeben: auch die „Devotees“, wie wir uns Hare Krishnas intern selbst betiteln, haben einige lustige Eigenheiten. Die spezielle Aufmache beispielsweise, die exotische Kleidung und die komische Frisur, die viele tragen. Oder Tätigkeiten wie das muntere Singen und Tanzen auf der Strasse; ich kann schon (ein klein wenig) verstehen, dass dies keinen Anlass zu Jubelausbrüchen bei den beiwohnenden Passanten gibt. Vorallem, wenn der Sänger jetzt nicht unbedingt einer vom Kaliber Michael Jacksons ist. 

Einige werden jetzt denken: der kann das Ganze ja selbst nicht ernst nehmen, dieser Lukas. Und es stimmt, ich bin der Meinung, dass man viel friedlicher lebt, wenn man sich selbst und „die Seinen“ nicht zu wichtig nimmt. Aber gleichzeitig wird diese Haltung erst möglich, wenn man die Selbstsicherheit anderswo bezieht. Und ich bin überzeugt: nicht in den äusserlichen, vielleicht befremdenden Merkmalen lässt sie sich finden, sondern in den tieferen Aspekten jeder Kultur und (religiösen) Tradition. 

So one question remains: was mache ich denn nun bei diesen Vögeln? Mehr dazu in einem nächsten Blog.

Lukas Stöckli, Guide en Route