15.09.2018

Jüdisches Neujahr

Der «Wecker»

Persönlich gehe ich nicht besonders oft in die Synagoge. An Rosh Haschana zum Beispiel ist es mir aber wichtig, dass ich pünktlich für das Schofarblasen in der Synagoge bin. Ein Schofar ist in der Regel das Horn eines Widders. Wenn durch das Horn geblasen wird, erklingt ein lauter Ton. Beim Hören dieses Tones fühlt es sich für mich so an, als ob jemand mich aufwecken möchte. Ich versuche dabei an mein vergangenes Jahr zu denken und mich dabei an gute und schlechte Erlebnisse zu erinnern. Auch an Jom Kippur wird durch das Schofar geblasen.

Die Zeit der Reue

Zwischen Rosh Haschana und Jom Kippur vergehen 10 Tage. Während dieser Zeit versuche ich mich tiefgründiger mit meinen Erlebnissen auseinander zu setzen. Dabei ist es mir wichtig, dass ich versuche aus meinen vergangenen Fehlern zu lernen. Vielleicht ist etwas vorgefallen, dass sich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht geklärt hat. Somit versuche ich während diesen 10 Tagen aktiv oder auch passiv alles Ungeklärte oder Belastende zu klären beziehungsweise den Kopf aufzuräumen und durchzulüften. Dies tue ich, um frisch und rein in das neue Jahr starten zu können. 

Der Versöhnungstag

Jom Kippur ist wahrscheinlich der wichtigste Tag im Judentum. Es ist ein Fastentag. Den Tag empfinde ich zwar als etwas unangenehm, denn einerseits wird gefastet, aber andererseits ist es der Tag im Jahr, an dem ich mich nur mit mir selber beschäftige. Man soll in sich kehren und sich mit seiner eigenen Person auseinandersetzen. Dies fällt mir nicht immer leicht, aber ich finde es sehr wichtig und gesund für den eigenen Geist, einen solchen Tag im Jahr konsequent durchzuziehen. 

Meine Auffassung und ein Appell

Auch wenn ich nicht viel mit G’tt anfangen kann, da ich generell nicht sehr religiös bin und mit dem Beten nicht viel anzufangen weiss, empfinde ich diese Zeit von Rosh Haschana und Jom Kippur als sehr wichtig. Für mich hat die Zeit weniger mit G’tt zu tun, sondern mit mir selbst. Es sind einige wenige Tage im Jahr, an denen ich mir bewusst mache, was ich im vergangenen Jahr erlebt habe und was ich aus dem Erlebten schliessen und vor allem lernen kann. Es ist mir sehr wichtig, dass ich mich als Person stetig verbessere, dabei gleichzeitig meine eigenen Rückschläge akzeptiere und so versuche, die Rückschläge in Zukunft zu minimieren. 

Genau dafür sehe ich Rosh Haschana und Jom Kippur. In einer sich so schnell verändernden Welt, in der die Digitalisierung immer mehr an Bedeutung gewinnt wird es immer schwieriger, einmal abzuschalten und sich auf sich selber zu fokussieren. Deshalb ein kleiner Appell für alle, die diesen Beitrag lesen, ob jüdisch oder nicht. Nehmt euch auch einmal Zeit und denkt an eure Vergangenheit. Was habt ihr erlebt und was könnt ihr daraus für die Zukunft lernen? Wo wollt ihr hin? 

 

Dina Hyams, Guide en Route